Beschluss des OGH vom 30.10.2019, 9 ObA 93/19w – Verletzung der kollektivvertraglichen Pflicht zur Führung eines Zeitkontos für Zeitguthaben lässt Ansprüche unter Umständen nicht verjähren
Die Berufung des Arbeitgebers auf eine kollektivvertragliche Verfallsklausel hinsichtlich nicht rechtzeitig geltend gemachter Leistungsansprüche des Arbeitnehmers ist rechtsmissbräuchlich, sofern der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit seinem Verhalten die rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs erschwert:
Die Klägerin war Verkäuferin in einem Handelsbetrieb und arbeitete auch während der „erweiterten Öffnungszeiten“ (von Montag bis Freitag zwischen 18:30 Uhr und 20:00 Uhr sowie ab 20:00 Uhr und Samstag zwischen 13:00 Uhr und 18:00 Uhr). Sie forderte nach Beendigung des Dienstverhältnisses die Abgeltung von in dieser Zeit erbrachten Mehr- und Überstunden von der Beklagten, allerdings außerhalb der kollektivvertraglichen Verfallsfrist.
Normal- und Mehrarbeitsstunden im Ausmaß von 1,5 Stunden pro Woche, die im Rahmen dieser „erweiterten Öffnungszeiten“ erbracht werden, sind nach dem KollV grundsätzlich in Freizeit zu verbrauchen, bei entsprechender Vereinbarung oder Unmöglichkeit des Verbrauchs jedoch auszubezahlen. Der Arbeitgeber hat hierüber ein Zeitkonto zu führen. Im Übrigen erlaubte es die Beklagte der Klägerin nicht, Zeitausgleich zu nehmen.
Die Beklagte führte entgegen ihrer Verpflichtung kein Zeitkonto, insbesondere war ein Zeitguthaben auch in den monatlich der Klägerin vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen nicht ersichtlich. Außerdem erlaubte es die Beklagte der Klägerin ohnehin nicht, die Normal- und Mehrarbeitsstunden durch Zeitausgleich abzugelten. Den Ansprüchen der Klägerin hielt die Beklagte daher entgegen, die Klägerin habe den „Null-Zeitstand“ für erweiterte Öffnungszeiten durch die monatlichen Zeitaufzeichnungen anerkannt, darüber hinaus erfolge die Geltendmachung ohnehin verspätet.
Der OGH kam zu Ergebnis, dass gesamt betrachtet die Beklagte mit ihrem Verhalten der Klägerin die rechtzeitige Geltendmachung ihres Anspruchs in einer Art und Weise erschwert hat, die die spätere Berufung auf die Verfallsklausel als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt.