Urteil des VG Köln vom 01.10.2019, 7 K 9155/16 – Produkt mit Rotschimmelreis führt zum Vorliegen eines Funktionsarzneimittels
Die Klägerin ist die Herstellerin des Nahrungsergänzungsmittels „N. X“, bei welchem es sich um einen Stoff in Kapselform zur Einnahme handelt, mit der Zusammensetzung „Monascus purpurea-Extrakt 15:1“ 250 mg pro Kapsel, davon „N. X“ 10 mg pro Kapsel, „Artischockenpulver“ 248 mg pro Kapsel und „Folsäure“. Die Auslobung des Produkts auf der Internet-Seite der Klägerin erfolgte wie folgt: „Wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA bestätigt, trägt der Inhaltsstoff N. X aus dem Rotschimmelreis zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei. Diese positive Wirkung stellt sich bereits bei einer regelmäßigen täglichen Aufnahme von 10 mg N. X (entsprechend 1 Kapsel) ein.“
Mit Bescheid vom 24.08.2015 stellt das deutsche BfArM fest, dass es sich bei „N.X“ um ein zulassungspflichtiges (Funktions-)Arzneimittel handle. N. X“ beeinflusst nach der Bewertung der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse die physiologischen Funktionen in Gestalt des menschlichen Cholesterinhaushalts in nennenswerter Weise. Diese Wirkung erzielt das Präparat auf metabolischem Wege. Für das VG Köln bestanden an der Einstufung als Funktionsarzneimittel keine Bedenken, die Entscheidung des BfArM wurde bestätigt. Der Umstand, dass ein identisches Produkt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht als Arzneimittel im Verkehr ist, bindet die Bundesoberbehörde nicht:
„Allerdings macht nicht jede pharmakologische oder metabolische Beeinflussung physiologischer Funktionen ein Produkt zum Arzneimittel. Der weit gefasste Begriff des Funktionsarzneimittels ist bei der Abgrenzung zu Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel sachgerecht einzugrenzen. Denn eine Beeinflussung menschlicher physiologischer Funktionen erfolgt durch Lebensmittel ebenfalls und kann durch die Ernährung auch zielgerichtet herbeigeführt werden. In gesteigertem Maß gilt dies für Nahrungsergänzungsmittel, die als Konzentrate von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung in dosierter Form in den Verkehr gebracht werden, vgl. § 1 Abs. 1 NemV. Eine tragfähige rechtliche Abgrenzung lässt sich angesichts dieser Nähe der Produktkategorien nur vornehmen, wenn die Entscheidung alle Merkmale des Produkts berücksichtigt. Dazu zählen seine Zusammensetzung, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen kann. Zuvorderst muss der Stoff aber die Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers nennenswert (signifikant) beeinflussen und über die Wirkungen dessen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel hat. […] Nicht ausreichend ist, dass das Erzeugnis Eigenschaften besitzt, die der Gesundheit im Allgemeinen förderlich sind, […] da dies bei Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln in vergleichbarer Weise der Fall sein kann. Dies vorausgeschickt bestehen an der Einstufung von „N. X“ als Funktionsarzneimittel keine durchgreifenden Zweifel. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass N2. X, resp. M. als Wirkstoff in einer Vielzahl zugelassener Fertigarzneimittel vergleichbarer Indikation enthalten ist. Die Existenz wirkstoffgleicher zugelassener Arzneimittel mag zwar nicht allein und in jedem Fall zum Beleg der Eigenschaft als Funktionsarzneimittel herangezogen werden. Allerdings berechtigt eine im arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren nachgewiesene therapeutische Wirksamkeit des Stoffs im Wege des Erst-Recht-Schlusses zu der Annahme einer (erheblichen) pharmakologischen und/oder metabolischen Wirkung […] Denn zentraler Gegenstand der Prüfung im Zulassungsverfahren ist die Wirksamkeit eines Produkts im Rahmen der beantragten Indikation. Ist sie belegt, kann auch von einer (pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen) Wirkung ausgegangen werden.“
Die Deutschen Gerichte sind sich offensichtlich nicht einig, vom VG München wurde genau Gegenteiliges entschieden (VG München, Urteil v. 17.10.2018 – M 18 K 15.4632).